Lesung: Anne Bax

Am Freitag, den16.09.2022, um 19.00 Uhr liest Anne Bax in der Lesben- und Schwulenbibliothek im Bürgerhaus Angermund Kurztexte und Auszüge aus ihrem utopischen Liebesroman „Herbstläuferin“.

Wir bitten um Anmeldung unter: lusbd2010@web.de

Neue Lesbenromane im Bestand der LUSBD

Clare Ashton                                     Rückkehr ins Leben, Verlag Krug & Schadenberg, 2016

Anne Bax                                            Herbstläuferin, Konkursbuch Verlag, 2020

Ahima Beerlage                                Riss in der Zeit, Verlag Krug & Schadenberg, 2020

Maria Braig                                        Nie wieder zurück, Querverlag, 2019

Pauline Delabroy-Allard                Es ist Sarah, Frankfurter Verlagsanstalt, 2019

Nina George                                      Die Schönheit der Nacht, Knaur Verlag, 2018

Joe Heap                                             Die Welt in allen Farben, HarperCollins Verlag, 2019

Deborah Levy                                    Heiße Milch, Verlag Kiepenheuer & Witsch, 2018

Lisa Mundt                                         Als meine Therapeutin schwieg, Milena Verlag, 2019

Carolin Schairer                                Am Anfang war Neuseeland, Ulrike Helmer Verlag, 2019

Ali Smith                                             Von gleich zu gleich, btb Verlag, 2020

Ulrike Winkler                                   Kein Wetter für rote Schuhe, Butze Verlag, 2019

Lee Winter                                         Aus der Rolle gefallen, Ylva Verlag, 2019

Lee Winter                                         Nichts als die ungeschminkte Wahrheit, Ylva Verlag, 2020

 

Rezension: Ungehorsam von Naomi Alderman

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Ungehorsam von Naomi Alderman, Berlin Verlag, 2007


Zwischen Rebellion und Sympathie
Eines Abends erhält Ronit, eine 32-jährige, erfolgreiche und emanzipierte Finanzanalystin in New York, einen Anruf von ihrem Cousin Dovid, der ihr mitteilt, dass ihr Vater verstorben sei. Ronits Vater war ein hoch angesehener Rabbiner und Oberhaupt der orthodoxen jüdischen Gemeinde von Hendon im Nordwesten Londons. Ronit ist sich unschlüssig, ob sie dieses Ereignis zum Anlass nehmen soll, in die Enge der orthodoxen jüdischen Gemeinde zurückzukehren, der sie vor Jahren entflohen ist. Doch schließlich lockt die Aussicht, die hohen, silbernen, mit Blüten und Blattwerk verzierten Kerzenleuchter ihrer früh verstorbenen Mutter, um die sie ihren Vater nie zu bitten wagte, in Besitz zu nehmen. Sie beschließt nach London zu fliegen: „Alles kein Problem, redete ich mir ein. Das würde ich locker hinkriegen. Für ein Weilchen nach London fliegen, ein bisschen Familiennippes einsammeln, meinen Cousin Dovid und seine Frau besuchen, und dann wieder ab nach Hause.‟ Zu diesem Zeitpunkt weiß sie noch nicht, dass Esti, mit der sie einst eine verbotene lesbische Liebesbeziehung verband, in Hendon geblieben ist und Dovid geheiratet hat.
Naomi Alderman gewährt in ihrem Debütroman ihren Leserinnen und Lesern Einblick in die abgeschlossene Welt einer orthodoxen jüdischen Gemeinde und deren für Nichtjuden zum Teil archaisch anmutenden Gesetze und Rituale. Jedem Kapitel des Romans ist ein Zitat aus einem Gebet, dem Alten Testament oder jüdischen Sprichwörtern vorangestellt, dem eine kurze Auslegung der zitierten Worte folgt, der Roman ist gespickt mit hebräischen Begriffen. Vor diesem Hintergrund entfaltet die Autorin zunächst rückblickend den Beginn der Liebesbeziehung der beiden Frauen, deren Lebensentwürfe nicht unterschiedlicher hätten sein können, und schildert schließlich deren Wiederbegegnung in Hendon.


Vordergründig wird hier eine lesbische Liebesgeschichte erzählt. Da Homosexualität im orthodoxen Judentum als Sünde betrachtet wird, ist dies allerdings ein überaus konfliktträchtiger Stoff. Viele Fragestellungen entstehen bei der Lektüre des Romans im Kopf der Leserin. Wie fühlen sich orthodoxe Jüdinnen, wenn ihre Männer gemäß dem Schacharit, dem Morgengebet, beten: „Gepriesen seiest du, Ewiger, unser Gott, König der Welten, der mich nicht als Frau erschaffen hat‟? Sind ein feministischer Standpunkt und das orthodoxe Judentum überhaupt an irgendeinem Punkt miteinander vereinbar? Auf einer tiefer gehenden Ebene wirft das Werk grundsätzliche Fragen auf. Der Mikrokosmos der jüdischen Gemeinde lässt sich auf andere Gemeinschaften übertragen, die durch ähnlich rigide Regeln zusammengehalten werden. Welcher Handlungsspielraum zwischen Anpassung und Ungehorsam bleibt der Einzelnen, wenn sie den vorgeschriebenen Normen nicht gerecht werden will oder kann? Wenn sich aus dem Roman eine Quintessenz ziehen lässt, dann neben anderen vielleicht die, dass die Wahrhaftigkeit nicht der Anpassung geopfert werden darf.


Mit spitzer Feder und einer gehörigen Portion Ironie nimmt die Autorin die Bigotterie einzelner Gemeindemitglieder und das Schachern um die Nachfolge des ehrwürdigen Rabbiners aufs Korn.
Insgesamt sind die Figuren glaubwürdig dargestellt, einzig die Protagonistin wirkt in ihrer Widerständigkeit ein wenig überzeichnet. Da mag man es der Autorin kaum abnehmen, wenn sie in einem Interview mit dem „Guardian‟ bekundet, sie selbst habe mit ihrer aufmüpfigen Hauptfigur wenig gemeinsam (dies gilt im Übrigen auch für deren Homo- oder Bisexualität), denn sie habe nie gegen ihre orthodox jüdische Erziehung rebelliert. Den Roman dürfen wir indessen getrost als späte Rebellion begreifen, was Alderman im nächsten Satz auch einräumt. Dennoch schwingt im gesamten Roman gleichzeitig ein großes Maß an Sympathie und Wertschätzung für die traditionellen jüdischen Werte mit.


„Ungehorsam‟ ist brillant und sehr unterhaltsam geschrieben, nicht umsonst wurde Naomi Alderman für den Roman mit dem Orange Award for New Writers ausgezeichnet.


© Andrea Schroeder
zuerst veröffentlicht in: Virginia Frauenbuchkritik, Nr. 43, Frühling 2008

Rezension: Meine Jahre mit Pat. Erinnerungen an Patricia Highsmith von Marijane Meaker

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Meine Jahre mit Pat. Erinnerungen an Patricia Highsmith von Marijane Meaker, Diogenes Verlag, 2005

 
Diese Frau bringt dich noch um den Verstand
Marijane Meaker ist 32 Jahre alt, als sie all ihren Mut zusammennimmt und in einer New Yorker Lesbenbar die sechs Jahre ältere Patricia Highsmith anspricht. Die Chemie zwischen den beiden Schriftstellerinnen stimmt auf Anhieb, so dass sie sich bereits am nächsten Tag erneut verabreden. Dies ist der Beginn einer leidenschaftlichen Liebesbeziehung, die zwei Jahre dauern soll. Eine Beziehung, die in der fast 750 Seiten starken Highsmith-Biografie „Schöner Schatten‟ von Andrew Wilson erstaunlicherweise so gut wie gar keine Berücksichtigung findet. Vielleicht hat dieser Umstand dazu beigetragen, dass Meaker motiviert wurde, ihre Erinnerungen an die Zeit mit Patricia Highsmith selbst in Buchform zu veröffentlichen. Marijane Meakers Erinnerungen reichen von der ersten Begegnung über den Umzug von New York in die Nähe von New Hope, Pennsylvania, wo die beiden Frauen ein Haus auf dem Land anmieten, bis hin zu einem letzten Treffen im Jahr 1992, dreißig Jahre nach ihrer Trennung.

 
„Manchmal schreibt ein Buch sich ganz von selbst. Man hat es wie auf einem Tonband im Kopf, und es kommt ungefragt hervor, ergießt sich buchstäblich über die Seiten‟, schreibt Meaker an einer Stelle ihres Buches. Dies trifft zweifelsohne auch auf „Meine Jahre mit Pat‟ zu, das Buch liest sich leicht, es besticht durch seine lebendigen Dialoge. Meaker, die – zum Teil unter verschiedenen Pseudonymen – über 40 Bücher veröffentlicht hat, versteht sich auf ihr Metier. Die Erinnerungen an die beiden Jahre an der Seite von Patricia Highsmith scheinen der Autorin sehr präsent zu sein, nie gewinnt die Leserin den Eindruck, dass irgendein Detail dem Erinnerungsvermögen mühsam abgetrotzt wurde. Dies ist umso bemerkenswerter, da zwischen dem Erlebten und der Niederschrift eine zeitliche Distanz von nahezu 45 Jahren liegt.

 
Diese große Distanz dürfte auch dafür gesorgt haben, dass Meakers Erinnerungen an Patricia Highsmith weder zu einer Abrechnung mit der ehemaligen Geliebten verkommen noch diese in übertriebenem Maße idealisieren. Sich selbst schont die Autorin im Übrigen nicht, wenn sie minuziös die Auswüchse ihrer obsessiv anmutenden Eifersucht schildert. Meaker beschreibt Patricia Highsmith im ersten Teil des Buches überwiegend als durchaus aufgeschlossene, aufmerksame und liebevolle Geliebte. Highsmiths negative Eigenschaften und Schrullen, wie beispielsweise ihre rassistischen und antisemitischen Ressentiments, werden jedoch ebenso wenig ausgespart. Ihr unmäßiger Alkoholkonsum ist im ganzen Buch allgegenwärtig. Als Meaker feststellt, dass die Freundin bereits am frühen Morgen zur Flasche greift, ist sie schockiert und es entsteht ein Streit, der den Anfang vom Ende der Liebesbeziehung der beiden Frauen markiert. Daneben gewährt uns die Autorin einen interessanten Einblick in die New Yorker Lesbenszene der fünfziger Jahre und wir erfahren einiges über die Lebensrealität lesbischer Frauen in einer Zeit, in der es noch üblich war, dass Frauen eines Restaurants verwiesen wurden, wenn sie Hosen trugen.
Ein Buch, das nicht nur eingefleischten Highsmith-Fans ein fesselndes Lesevergnügen bereiten dürfte.

© Andrea Schroeder
zuerst veröffentlicht in: Virginia Zeitschrift für Frauenbuchkritik, Nr. 39, Frühling 2006

 

Lesung: Anne Bax liest aus Herbstläuferin

Anne-Bax

Die ursprünglich für den 22.04.2020 angekündigte Lesung mit Anne Bax ist aufgrund der Corona-Pandemie auf Donnerstag, den 08.10.2020, um 19.30 Uhr verschoben worden. Wir hoffen, die Veranstaltung an diesem Termin dann auch durchführen zu können. Anne Bax wird ihren brandneuen Roman „Herbstläuferin. Eine Liebesgeschichte“ vorstellen und Kurzgeschichten aus „Love me Tinder“ und „Lesbe ist nur ein Wort“ vortragen.

Über den Roman:
Die Kuppeln von Firmament sind der einzige Rückzugsort der wenigen verbliebenen Menschen in einer von zyklisch tobenden Stürmen beherrschten postapokalyptischen Welt. Jeder, der in Firmament geboren wird, stirbt auch dort, ohne je die Kuppeln verlassen zu haben. Alles außerhalb der Kuppeln ist tödlich, feindlich und menschenleer, heißt es, und niemand denkt darüber nach, das in Frage zu stellen. Zumindest nicht öffentlich.
Una, die schon in ihrer Kindheit wild gelebt und nicht alles akzeptiert hat, kennt einen streng geheimen Weg ins Freie. In den letzten Wochen einer sturmfreien Zeit wagt die 20-Jährige einen letzten wütenden Ausflug in die Stille der dunklen Nacht. Sie soll verheiratet werden, unter Kontrolle gebracht. Doch dieser Ausflug bringt ihr mehr als die erhoffte Gelassenheit im Umgang mit ihrem vorbestimmten Leben, er verändert es für immer. Sie begegnet einer Frau von „draußen“.

Während die nächste Sturmzeit unaufhaltsam näher rückt, stellt die undenkbare Begegnung der beiden Frauen nicht nur alles, was sie gelernt haben, in Frage, sondern bringt sie auch in tödliche Gefahr.
Coming-out und abenteuerliche Liebesgeschichte zwischen zwei jungen Frauen, die in einer unwirtlichen Zukunft spielt. Eine der Protagonistinnen lebt in einer abgeschlossenen Welt, das Draußen gilt als unbewohnbar, von Naturkatastrophen zerstört. Doch auch „draußen“ leben Menschen …

Die Veranstaltung kann kostenfrei besucht werden. Über eine Spende zugunsten der Bibliothek freuen wir uns.

Veranstaltungsort: Graf-Engelbert-Straße 9, 40489 Düsseldorf. Das historische Bürgerhaus ist nicht barrierefrei.

Eine Veranstaltung der Lesben- und Schwulenbibliothek Düsseldorf (LUSBD) in Kooperation mit dem Angermunder Kulturkreis e. V. (AKK).

Warum eine Lesben- und Schwulenbibliothek Sinn macht

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Eigentlich stellt sich uns die in der Überschrift enthaltene Frage gar nicht, wir sind aber im Lauf der 24-jährigen Geschichte der Bibliothek hier und da mit ihr konfrontiert worden. Zum Beispiel vor einigen Jahren, als sich die Bibliothek mit einem Bücherstand am Festival of Friendship beteiligt hat. Da baute sich eine Besucherin des Festivals in einigem Abstand von unserem Stand auf, blickte auf unser Transparent und tönte – ich zitiere sinngemäß aus der Erinnerung: „Das ist genau falsch, was ihr da macht. Ihr stellt euch ja selbst ins Abseits, schafft euch euer eigenes Ghetto. Eine Bibliothek für Lesben und Schwule, was soll das denn? Das ist ja nahezu lächerlich.“ Viele Jahre später, das Gespräch kam auf die Wiedereröffnung der Bibliothek im Jahr 2019, eine ähnliche Äußerung. „Ja, aber was soll das denn eigentlich? Das ist doch heute gar nicht mehr nötig.“

In einem Land, in dem jeder zweite Bienenzüchterverein − nichts gegen dieses wundervolle Hobby! − eine eigene Bibliothek betreibt, es unzählige Fachbibliotheken gibt, geraten wir also unter Rechtfertigungsdruck, weil wir queere Literatur sammeln und verleihen? Dass es da einen speziellen Schatz zu heben und zu bewahren gilt, kommt den Leuten offensichtlich nicht in den Sinn. Auch nicht, dass queere Menschen eventuell an einer Literatur Interesse haben könnten, die ihnen Identifikationsmöglichkeiten bietet und ihre doch manchmal immer noch andere Lebenswirklichkeit abbildet. Ich schreibe das durchaus im Bewusstsein und in Anerkennung der zunehmenden Akzeptanz von Homosexualität in unserer Gesellschaft sowie der Fortschritte hinsichtlich der rechtlichen Gleichstellung. Genau diese Veränderungen zeichnet der Bestand unserer Bibliothek eben auch nach.

Und: Wer würde queere Literatur in den Fokus stellen, wenn nicht wir selbst? Wer denkt, dass das jemand anders für uns übernehmen würde, der glaubt vermutlich auch, dass es sich bei den Suffragetten überwiegend um Männer gehandelt hat.
Zweck unserer Bibliotheksarbeit ist das Bewahren, Pflegen, Sicht- und Nutzbarmachen dieser speziellen Literatur. Ich möchte mich an diesen vier Substantiven entlanghangeln, um im Weiteren zu erklären, warum eine Lesben- und Schwulenbibliothek Sinn macht.

Bewahren

Als wir durch die Schließung des Café Rosa Mond unseren Bibliotheksraum verloren haben, standen wir als damals 7-köpfiges Team vor der Frage, wohin mit den Büchern. Einige Mitstreiter befürworteten, zügig den nächsten Altpapiercontainer anzufahren, denn die Aussicht, noch einmal einen neuen Raum zu finden, bewerteten wir einhellig als schlecht. Wir sind heute froh, dass das nicht geschehen ist. Etliche Titel wären schwer wieder zu beschaffen gewesen.
Auch heute noch wird LGBTi+-relevante Literatur überwiegend in Nischenverlagen in geringer Auflagenzahl publiziert. Sie ist also schneller vergriffen.

Pflegen

Wir richten den Fokus auf queere Literatur, weil sie anderswo eher untergeht. So haben die Stadtbüchereien zwar durchaus relevante Literatur im Bestand, der Nutzer/die Nutzerin ist aber gut beraten, Titel und Autor/in bereits zu kennen. Die Verschlagwortung wurde nicht so intensiv betrieben. So liefert beispielsweise das Stichwort „Lesben“ im Onlinekatalog der Stadtbüchereien Düsseldorf magere 19 Treffer, die Stichworte „Schwule“ oder „Homosexualität“ hingegen 220 – warum wundert mich das jetzt nicht? –, während „Transsexualität“ weit abgeschlagen 4 Treffer generiert.

Sicht- und Nutzbarmachen

Wir holen die queere Literatur „aus dem Schrank“, um sie sicht- und nutzbar zu machen. Sichtbarkeit verhindert gerade jede Abschottung, hilft Vorurteile abzubauen und Auseinandersetzung und Austausch zu ermöglichen. Die Bibliothek steht selbstverständlich jeder/jedem Interessierten offen. Durch die Kooperation mit dem Angermunder Kulturkreis kommt es zu vielfältigen Begegnungen, die einer Ghettoisierung gerade keinen Vorschub leisten.