Eigentlich stellt sich uns die in der Überschrift enthaltene Frage gar nicht, wir sind aber im Lauf der 24-jährigen Geschichte der Bibliothek hier und da mit ihr konfrontiert worden. Zum Beispiel vor einigen Jahren, als sich die Bibliothek mit einem Bücherstand am Festival of Friendship beteiligt hat. Da baute sich eine Besucherin des Festivals in einigem Abstand von unserem Stand auf, blickte auf unser Transparent und tönte – ich zitiere sinngemäß aus der Erinnerung: „Das ist genau falsch, was ihr da macht. Ihr stellt euch ja selbst ins Abseits, schafft euch euer eigenes Ghetto. Eine Bibliothek für Lesben und Schwule, was soll das denn? Das ist ja nahezu lächerlich.“ Viele Jahre später, das Gespräch kam auf die Wiedereröffnung der Bibliothek im Jahr 2019, eine ähnliche Äußerung. „Ja, aber was soll das denn eigentlich? Das ist doch heute gar nicht mehr nötig.“
In einem Land, in dem jeder zweite Bienenzüchterverein − nichts gegen dieses wundervolle Hobby! − eine eigene Bibliothek betreibt, es unzählige Fachbibliotheken gibt, geraten wir also unter Rechtfertigungsdruck, weil wir queere Literatur sammeln und verleihen? Dass es da einen speziellen Schatz zu heben und zu bewahren gilt, kommt den Leuten offensichtlich nicht in den Sinn. Auch nicht, dass queere Menschen eventuell an einer Literatur Interesse haben könnten, die ihnen Identifikationsmöglichkeiten bietet und ihre doch manchmal immer noch andere Lebenswirklichkeit abbildet. Ich schreibe das durchaus im Bewusstsein und in Anerkennung der zunehmenden Akzeptanz von Homosexualität in unserer Gesellschaft sowie der Fortschritte hinsichtlich der rechtlichen Gleichstellung. Genau diese Veränderungen zeichnet der Bestand unserer Bibliothek eben auch nach.
Und: Wer würde queere Literatur in den Fokus stellen, wenn nicht wir selbst? Wer denkt, dass das jemand anders für uns übernehmen würde, der glaubt vermutlich auch, dass es sich bei den Suffragetten überwiegend um Männer gehandelt hat.
Zweck unserer Bibliotheksarbeit ist das Bewahren, Pflegen, Sicht- und Nutzbarmachen dieser speziellen Literatur. Ich möchte mich an diesen vier Substantiven entlanghangeln, um im Weiteren zu erklären, warum eine Lesben- und Schwulenbibliothek Sinn macht.
Bewahren
Als wir durch die Schließung des Café Rosa Mond unseren Bibliotheksraum verloren haben, standen wir als damals 7-köpfiges Team vor der Frage, wohin mit den Büchern. Einige Mitstreiter befürworteten, zügig den nächsten Altpapiercontainer anzufahren, denn die Aussicht, noch einmal einen neuen Raum zu finden, bewerteten wir einhellig als schlecht. Wir sind heute froh, dass das nicht geschehen ist. Etliche Titel wären schwer wieder zu beschaffen gewesen.
Auch heute noch wird LGBTi+-relevante Literatur überwiegend in Nischenverlagen in geringer Auflagenzahl publiziert. Sie ist also schneller vergriffen.
Pflegen
Wir richten den Fokus auf queere Literatur, weil sie anderswo eher untergeht. So haben die Stadtbüchereien zwar durchaus relevante Literatur im Bestand, der Nutzer/die Nutzerin ist aber gut beraten, Titel und Autor/in bereits zu kennen. Die Verschlagwortung wurde nicht so intensiv betrieben. So liefert beispielsweise das Stichwort „Lesben“ im Onlinekatalog der Stadtbüchereien Düsseldorf magere 19 Treffer, die Stichworte „Schwule“ oder „Homosexualität“ hingegen 220 – warum wundert mich das jetzt nicht? –, während „Transsexualität“ weit abgeschlagen 4 Treffer generiert.
Sicht- und Nutzbarmachen
Wir holen die queere Literatur „aus dem Schrank“, um sie sicht- und nutzbar zu machen. Sichtbarkeit verhindert gerade jede Abschottung, hilft Vorurteile abzubauen und Auseinandersetzung und Austausch zu ermöglichen. Die Bibliothek steht selbstverständlich jeder/jedem Interessierten offen. Durch die Kooperation mit dem Angermunder Kulturkreis kommt es zu vielfältigen Begegnungen, die einer Ghettoisierung gerade keinen Vorschub leisten.