Meine Jahre mit Pat. Erinnerungen an Patricia Highsmith von Marijane Meaker, Diogenes Verlag, 2005
Diese Frau bringt dich noch um den Verstand
Marijane Meaker ist 32 Jahre alt, als sie all ihren Mut zusammennimmt und in einer New Yorker Lesbenbar die sechs Jahre ältere Patricia Highsmith anspricht. Die Chemie zwischen den beiden Schriftstellerinnen stimmt auf Anhieb, so dass sie sich bereits am nächsten Tag erneut verabreden. Dies ist der Beginn einer leidenschaftlichen Liebesbeziehung, die zwei Jahre dauern soll. Eine Beziehung, die in der fast 750 Seiten starken Highsmith-Biografie „Schöner Schatten‟ von Andrew Wilson erstaunlicherweise so gut wie gar keine Berücksichtigung findet. Vielleicht hat dieser Umstand dazu beigetragen, dass Meaker motiviert wurde, ihre Erinnerungen an die Zeit mit Patricia Highsmith selbst in Buchform zu veröffentlichen. Marijane Meakers Erinnerungen reichen von der ersten Begegnung über den Umzug von New York in die Nähe von New Hope, Pennsylvania, wo die beiden Frauen ein Haus auf dem Land anmieten, bis hin zu einem letzten Treffen im Jahr 1992, dreißig Jahre nach ihrer Trennung.
„Manchmal schreibt ein Buch sich ganz von selbst. Man hat es wie auf einem Tonband im Kopf, und es kommt ungefragt hervor, ergießt sich buchstäblich über die Seiten‟, schreibt Meaker an einer Stelle ihres Buches. Dies trifft zweifelsohne auch auf „Meine Jahre mit Pat‟ zu, das Buch liest sich leicht, es besticht durch seine lebendigen Dialoge. Meaker, die – zum Teil unter verschiedenen Pseudonymen – über 40 Bücher veröffentlicht hat, versteht sich auf ihr Metier. Die Erinnerungen an die beiden Jahre an der Seite von Patricia Highsmith scheinen der Autorin sehr präsent zu sein, nie gewinnt die Leserin den Eindruck, dass irgendein Detail dem Erinnerungsvermögen mühsam abgetrotzt wurde. Dies ist umso bemerkenswerter, da zwischen dem Erlebten und der Niederschrift eine zeitliche Distanz von nahezu 45 Jahren liegt.
Diese große Distanz dürfte auch dafür gesorgt haben, dass Meakers Erinnerungen an Patricia Highsmith weder zu einer Abrechnung mit der ehemaligen Geliebten verkommen noch diese in übertriebenem Maße idealisieren. Sich selbst schont die Autorin im Übrigen nicht, wenn sie minuziös die Auswüchse ihrer obsessiv anmutenden Eifersucht schildert. Meaker beschreibt Patricia Highsmith im ersten Teil des Buches überwiegend als durchaus aufgeschlossene, aufmerksame und liebevolle Geliebte. Highsmiths negative Eigenschaften und Schrullen, wie beispielsweise ihre rassistischen und antisemitischen Ressentiments, werden jedoch ebenso wenig ausgespart. Ihr unmäßiger Alkoholkonsum ist im ganzen Buch allgegenwärtig. Als Meaker feststellt, dass die Freundin bereits am frühen Morgen zur Flasche greift, ist sie schockiert und es entsteht ein Streit, der den Anfang vom Ende der Liebesbeziehung der beiden Frauen markiert. Daneben gewährt uns die Autorin einen interessanten Einblick in die New Yorker Lesbenszene der fünfziger Jahre und wir erfahren einiges über die Lebensrealität lesbischer Frauen in einer Zeit, in der es noch üblich war, dass Frauen eines Restaurants verwiesen wurden, wenn sie Hosen trugen.
Ein Buch, das nicht nur eingefleischten Highsmith-Fans ein fesselndes Lesevergnügen bereiten dürfte.
© Andrea Schroeder
zuerst veröffentlicht in: Virginia Zeitschrift für Frauenbuchkritik, Nr. 39, Frühling 2006